Marilena Himmelreich, Head of Global PR bei Bookbot, einem Online-Händler für gebrauchte Bücher, schreibt in ihrem Gastartikel über die Rolle von Nachhaltigkeit in der Buchbranche.
Bücher gelten als eines unserer höchsten Kulturgüter. Ebenso wie Theater, klassische Musik oder Konzerte, sind sie Ausdruck unserer kulturellen Identität. Manche würden sagen, wir sind, was wir lesen. Bereits in der Kindheit beginnen die meisten mit der Lektüre von Kinderbüchern, vertiefen sich in der Jugend in die Entdeckung popkulturrelevanter Genres, wie derzeit etwa „Dark Romance“ oder „New Adult“, und behalten auch im Erwachsenenalter eine regelmäßige Lektüre zur Unterhaltung oder der fortwährenden Bildung bei. Doch was ist eigentlich der umweltökonomische Preis, den wir für diese Kultur zahlen?
Die umweltbelastende menschliche Existenz
Längst wissen wir, dass eine Erde nicht mehr ausreicht, um die Ressourcen für unsere weltliche Existenz zu decken. Der Earth-Overshoot-Tag, also der Tag im Jahr, ab dem wir mehr Ressourcen verbrauchen, als die Erde erneuern kann, fand 2025 am 24. Juli statt und rückt seit Jahrzehnten unaufhörlich nach vorne: 2015 etwa lag er am 4. August, im Jahr 2000 sogar noch am 16. September.1 Derzeit bräuchten wir schon 1,8 Erden, um die ökologischen Ressourcen zu erzeugen, die wir verbrauchen.
Dass Menschen einen ökologischen Fußabdruck hinterlassen, ist unvermeidbar. Denn alleine die Güter, die wir konsumieren, um unsere Grundbedürfnisse zu decken, sind in ihrer Produktion umweltbelastend: etwa Nahrung, Wohnraum und Hygieneartikel sowie Heizung oder Kühlung. Dazu kommt der Konsum, der den Alltag angenehmer gestalten soll: Kleidung, Reisen, Haushaltsgegenstände – und eben auch Kulturgüter.
Der ökologische Fußabdruck von Kulturgütern
Als Konsument*innen sollten wir versuchen, unseren Fußabdruck zu minimieren. Relativ übersichtlich kann das bei der Wahl unserer Lebensmittel oder unserer Kleidung sein: einheitlich angewandte Labels geben uns Aufschluss über die Arbeitsbedingungen und die Umweltverträglichkeit in ihrer Produktion.2 3
Bei Kulturgütern sieht das schwieriger aus. Ihr Konsum wird häufig viel positiver aufgefasst, denn sie unterhalten uns und schenken uns Erlebnisse mit unseren Liebsten. Eindrucksvolle Kunstwerke und verbindende Erfahrungen können uns stimulieren, sie lehren uns gegenseitiges Verständnis füreinander und können uns manchmal sogar mit einem Gefühl von Tatendrang und Aktivismus zurücklassen.
Doch auch die Kulturbranche hinterlässt einen ökologischen Fußabdruck: Nicht umsonst beschäftigt sie sich zunehmend mit Nachhaltigkeit nicht nur als moralischem Wert, sondern auch in der Praxis. So haben etwa Bands wie Coldplay und Die Ärzte bereits Maßnahmen ergriffen, um die Treibhausgasemissionen ihrer Konzerte zu minimieren und zu kompensieren,4 indem sie Konzertbesucher*innen zur Stromerzeugung auf in den Stadien platzierten Fahrrädern animieren, Umweltprojekte unterstützen oder ausschließlich vegetarisches oder veganes Catering anbieten.5
Eine nähere Betrachtung lohnt sich auch in der Buchbranche: 2021 wurden in Deutschland 273 Millionen Bücher verkauft.6 Ein durchschnittlicher Baum liefert genug Holz, um daraus etwa 200 Bücher zu fertigen.7 Der Bücherkonsum in Deutschland im Jahr 2021 wurde also aus etwa 1,37 Millionen Bäumen hergestellt. Der Schwarzwald allein zählt um die vier Millionen Bäume. Warum der Schwarzwald dann überhaupt noch steht? Weil Deutschland 80 Prozent seines Papierbedarfs aus Ländern wie Finnland, Schweden, Kanada, Spanien, Portugal und Brasilien importiert. In diesen Ländern werden immer mehr natürliche Wälder gerodet, um angelegten Wäldern zur Gewinnung von Zellstoff für die Papierproduktion Platz zu machen.8
Das Gute: Auch im Buchhandel gibt es, ähnlich wie bei Lebensmitteln und Kleidung, eine Lösung, den Bedarf an neu verbrauchtem Papier maßgeblich zu senken. Online-Shops für gebrauchte Bücher, wie etwa Bookbot.de, haben es sich zur Aufgabe gemacht, den Second-Hand-Kauf und -Verkauf von Büchern für private Verbraucher*innen so einfach und transparent wie möglich zu machen und durch ein voll ausgestattetes Sortiment eine dem Handel mit neuen Büchern ebenbürtige Alternative zu schaffen.
Wer gelesene Bücher bei Bookbot verkaufen möchte, muss lediglich ein Foto der Buchrücken der zu verkaufenden Bücher machen und über ein Online-Formular an Bookbot senden. Innerhalb von 24 Stunden sendet Bookbot einen Paketschein, wenn die Bücher angenommen werden. Jedes Buch wird von Bookbot nach Einsenden einzeln fotografiert und inseriert, sodass der Zustand inklusive eventueller Mängel beim Kauf transparent einsehbar ist. So wirkt Bookbot einem der größten Hindernisse beim Gebrauchtkauf entgegen: Der Angst vor einer bösen Überraschung. Nach erfolgreichem Verkauf eines Buches werden Verkäufer*innen 60 Prozent des Verkaufspreises abzüglich 1,19 EUR als Erlös in ihrem Kundenkonto gutgeschrieben. Diesen Betrag können sie entweder auf ihr Bankkonto überweisen lassen, oder einsetzen, um sich aus den 1,7 Millionen vorrätigen Titeln neue gebrauchte Bücher auszusuchen.
Die richtige Balance im Konsum von Kultur
Und was ist mit den Autor*innen? Die Kulturbranche befindet sich in einer Ausnahmesituation. So wurden allein in Berlin im Jahr 2025 ganze 130 Millionen Euro an Kultursubventionierungen gestrichen.9 Diese Situation bringt viele Kulturschaffende an ihr Existenzminimum. Dabei können gerade sie mit ihrer Arbeit viel für den Umweltschutz leisten. Eines der vielen Beispiele: In ihrem Debütroman „Am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft“, der Anfang 2025 erschien, erzählt die junge Autorin Fiona Sironic eine Coming-of-Age-Geschichte in einer dystopischen, vom Klimawandel gezeichneten Zukunft.
Wie können wir nun also die Interessen der Erde mit unserem kulturellen Konsum aufwiegen? Indem wir den Gebrauchtkauf normalisieren und entstigmatisieren. Den Neukauf gänzlich ablösen sollte er nicht, denn schließlich bedarf es neuer Bücher, um den Gebrauchtmarkt zu speisen. Gebrauchte Bücher zu kaufen oder zu verschenken, sollte aber so normal für uns werden, wie die Bio-Karotten aus lokalem Anbau zu favorisieren: Ein Zeichen von Achtsamkeit und bewusstem Konsum zur Schonung der natürlichen Ressourcen – und dem eigenen Geldbeutel.
Wie für alles im Leben gilt auch hier, die richtige Balance zu finden: Für welche Bücher lohnt sich der Neukauf, für welche kann ich ebenso gut auf gebrauchte Bücher zurückgreifen? Kann ich mein Budget für neue Bücher deckeln und alles, was darüber geht, in gebrauchte Bücher investieren? Mache ich gebrauchte Bücher zur ersten Wahl und greife auf den Neubuchhandel zurück, wenn das gebrauchte Angebot meine Nachfrage nicht deckt? Oder unterstütze ich junge Autor*innen, indem ich ihre Neuerscheinungen in der lokalen Buchhandlung erwerbe, während ich Bücher verstorbener Autor*innen regulär gebraucht kaufe?
Die Möglichkeiten, gebrauchte Bücher in den Buchkonsum einzubinden, sind vielfältig und können von jeder Person selbst für sich bestimmt werden. Doch: Lasst uns achtsam sein und nicht vergessen, dass wir mit jedem Buch auch ein Stück Baum in den Händen halten.
Quellen
1 Earth Overshoot Day: „Past Eart Overshoot Days“ (https://overshoot.footprintnetwork.org/newsroom/past-earth-overshoot-days/). Abgerufen am 19.08.2025.
2 Verbraucherzentrale: „Faire Kleidung:Das bedeuten die Siegel“ (https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/umwelt-haushalt/nachhaltigkeit/faire-kleidung-das-bedeuten-die-siegel-7072). Abgerufen am 15.08.2025.
3 Umweltbundesamt: „Labelratgeber: TOP-Umweltsiegel für den nachhaltigen Konsum“ (https://www.umweltbundesamt.de/umwelttipps-fuer-den-alltag/uebergreifende-tipps/siegel-label#umweltsiegel-nutzen). Abgerufen am 15.08.2025.
4 Haus von Eden: „Coldplay revolutioniert Touring mit Nachhaltigkeitsinitiativen“ (https://www.hausvoneden.de/lifestyle/coldplay/). Abgerufen am 15.08.2025.
5 3sat: „Die Ärzte – Nachhaltige Konzerte: Veganes Catering und Mehrweg“ (https://www.3sat.de/wissen/nano/241014-die-aerzte-nachhaltige-konzerte-und-veggie-nano-100.html). Abgerufen am 15.08.2025.
6 Börsenblatt: „273 Millionen Bücher wurden 2021 in Deutschland verkauft“ (https://www.boersenblatt.net/news/273-millionen-buecher-wurden-2021-deutschland-verkauft-222403). Abgerufen am 19.08.2025
7 Forstwirtschaft: „Wer ein Buch in Händen hält, blättert in den Wäldern“ (https://www.forstwirtschaft-in-deutschland.de/aktuelles/news-detailansicht/news/wer-ein-buch-in-haenden-haelt-blaettert-in-den-waeldern/). Abgerufen am 15.08.2025.
8 Umweltbundesamt: „Papier: Wald und Klima schützen“ (https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen/papier_-_wald_und_klima_schuetzen-reichart_1.pdf). Abgerufen am 19.08.2025
9 Spiegel: „Wie viel die Berliner Kulturszene wirklich sparen muss – und wie sie darüber verzweifelt“ (https://www.spiegel.de/kultur/berlin-wie-viel-die-berliner-kultur-wirklich-sparen-muss-und-wie-sie-darueber-verzweifelt-a-8503615b-7723-4095-96e2-c76de55dc5f8). Abgerufen am 15.08.2025.